Friede, Freiheit, Narzisst*innen? Die Spalter*innen, die keine Spaltung wollen.

Seit ein paar Wochen demonstrieren wieder bundesweit tausende Menschen fast täglich gegen die Corona-Maßnahmen, „Maskenzwang“ und eine angebliche „Plandemie“. Im Sommer noch schien die Querdenker*innen-Szene am Ende zu sein. Immer weniger Menschen beteiligten sich noch an den Kundgebungen und Demonstrationen. Doch nun gibt es wieder reichlich Zulauf. Mit ein Grund könnte unter anderem die Radikalisierung der Proteste sein. Demonstriert wird meist unangemeldet und Polizeiketten werden teils gewaltsam durchbrochen. Gefeiert werden die Bilder in einschlägigen Telegram-Gruppen. Gerade im Osten dieser Republik gibt es immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Teilnehmer*innen. Angeführt von organisierten Hooligan- und NeonaziGruppen.

In Augsburg blieben bisher größere Auseinandersetzung aus. Möglicherweise wegen schlecht organisierter rechter Strukturen und weil die Polizei bei offensichtlichen Verstößen kaum durchgriff. Und dennoch gab es bereits Hitler-Grüße und Waffenfunde bei einzelnen Teilnehmer*innen. Somit ist klar: regelmäßige Beteiligung von Neonazis, Antisemit*innen, Reichsbürger*innen, Verschwörungsideolog*innen und rechten Esoteriker*innen gibt es auch in Augsburg.

 

Um dies sichtbarer zu machen, haben wir uns einmal an einer (mit Sicherheit unvollständigen) Übersicht versucht. Dafür haben wir in den vergangenen Wochen auf CR-Watch Augsburg, Rechte Umtriebe Augsburg und Allgäu-Rechtsaussen recherchiert und mit einigen Journalist*innen gesprochen.

 

Seit Beginn der Proteste beteiligten sich auch in Augsburg regelmäßig rechte Akteur*innen.

Pegida 2016 / Quelle: endstation-rechts-bayern
Grundrechte wahren-Demo / Quelle: Rechte Umtriebe Augsburg

So z.B. mindestens ein Teilnehmer aus dem Umfeld von Pegida München. Dort soll sich die Person regelmäßig an Demonstrationen beteiligt haben und dabei auch Plakate der Neonazi-Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ getragen haben. In Augsburg soll die Person auf einer der ersten „Grundrechte wahren“ Demos mit einem „Abschiebehelfer“ T-Shirt aufgetaucht sein. Auch kürzlich soll er wieder an einer Demonstration teilgenommen haben.

Zu dem war vor einigen Wochen ein mutmaßliches Mitglied vom „Dritten Weg“ auf einer Demonstration in Augsburg anwesend, welcher sich durch eine Jacke mit Logo der „Partei“ kenntlich machte.

Grundrechte wahren Demo / Quelle: allgaeu-rechtsaussen

Auch seit Anfang an immer wieder dabei, die rechtsoffene Kampfsportschule „Tigers Arena“. Laut Berichten trainierten dort in der Vergangenheit bereits Mitglieder der selbsternannten rechten Bürgerwehr „Soldiers of Odin“, sowie Neonazis und Identitäre aus dem Augsburger Umland. Zeitweise hing in der Arena eine Reichskriegsflagge und der vom bayrischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Rapper „Chris Ares“, drehte dort ein Musikvideo.

Ein weiterer regelmäßiger Teilnehmer soll ein mutmaßlicher Anhänger der rechtsextremen „Atomwaffen Division“ sein. Auf einer Kundgebung am Rathausplatz habe dieser angeblich den Hitler-Gruß gegenüber Mitgliedern der Grünen Jugend ausgesprochen.

 

Wer da natürlich nicht fehlen darf, ist die AfD. Immer wieder sind Mitglieder auf Demonstrationen in Augsburg zu sehen. Neben einfachem Mitmarschieren, werden zahlreiche Gespräche geführt und sich immer weiter in eine bürgerliche Mitte integriert. Nach neusten Erkenntnissen des Bundesverfassungsschutzes, schreitet die Radikalisierung der AfD weiter voran. (Stellt sich die Frage, wie lange dem noch zugesehen wird?)

 

Quelle: YouTube

Fast schon eine Berühmtheit in der Corona-Leugner*innen Szene, ist der Youtuber „Augsburg Unmaskiert“. Durch sein öffentliches Auftreten, ist die Radikalisierung besonders gut sichtbar. Er bereiste bereits bundesweit Proteste der Querdenker*innen. In Berlin soll er sich dabei abwertend über das Holocaust-Mahnmal geäußert haben. In Leipzig marschierte er Schulter an Schulter mit Rechtsextremen, die er nicht gesehen haben will.

In der Vergangenheit teilte er Beiträge von „Die Rechte“, „AfD“ und „Q-Anon“ auf seinem Telegram-Kanal. Außerdem soll er dem Neonazi Ignaz Bearth ein Interview in dessen Live-Stream gegeben haben. Nachdem er sich anfangs eher solidarisch mit dem Klimacamp in Augsburg zeigte, spricht er heute von einer Klimalüge und verwirrten Kindern. Er fordert die Bundesregierung regelmäßig zum Rücktritt auf, sonst würden sie in Nürnberg vor Gericht kommen. Er spricht von Genozid und schreit regelmäßig Polizist*innen an, sie würden sich an einem Völkermord mit schuldig machen. Zu dem gab er in einem Live-Stream an, seinen Ausweis abgegeben zu habenwas typisch für die Reichsbürger*innen Ideologie ist

 

Viele dieser Personen und ihre Gesinnung seien „einfach“ zu erkennen, sagen uns die Journalist*innen, und es wirke überschaubar, bei solch einer Anzahl an Teilnehmer*innen. Doch bei genauerem Hinsehen und Zuhören, entdeckte man einiges mehr.

 

Immer wieder sind umgedrehte Deutschlandfahnen zu sehen, eine Symbolik, die häufig Anwendung in der Reichsbürger*innen Szene findet. Dazu wird oft von Souveränität, einem „Great Reset“ und der „BRD GmbH“ gesprochen, und die Polizei als Söldner-Truppe bezeichnet. Ebenso sind Deutschlandfahnen mit der Aufschrift „Wir sind das Volk“, welche sonst bei „Pegida“-Demonstrationen zu sehen waren, zu finden.

 

Andere Teilnehmer*innen tragen Plakate des rechten Magazins „Compact“ oder eine „Dont tread on me“ – Flagge. Die gelbe Flagge, auf der eine Schlange mit dem Satz „Dont tread on me“ zu sehen ist, wird gerne von den Rechtsextremen „Proud Boys“ in den USA genutzt und war allgegenwertig bei der Erstürmung des Capitols im Januar 2021.

Ein weiterer Demonstrant trägt einen Pullover mit der Aufschrift „See you in Valhalla“. Auf der Webseite von „Das Versteck Spiel“ heißt es dazu: „In szenetypischen Zeichnungen wird Walhalla oft als ein Ort dargestellt, der die »Kämpfer« der Germanen, des Nationalsozialismus und der heutigen Neonazi-Szenen vereint…“

Während der Demonstration am vergangenen Samstag bezeichnete eine Gruppe junger biertrinkender Männer, eine kleine Gruppe an Gegendemonstrant*innen als „scheiss Zecken“.

Bei einem Autokorso der Querdenker*innen in Augsburg, hatte ein*e Teilnehmer*in ein selbstgemaltes Banner über die Heckscheibe gespannt, auf dem unter anderem die verbotene Aufschrift „Deutschland erwache“ zu lesen war.

Wie CR-Watch Augsburg kürzlich berichtete, sollen auch Personen, die der Identitären Bewegung zu zurechnen sind, in Augsburg an einer Demonstration teilgenommen haben. Sie trugen dabei eine Fahne, auf der in Frakturschrift stand „Lieber stehend sterben, als kniend leben“. Dabei handelt es sich unter anderem um einen Songtitel, der bei rechtsextremen beliebten Band, die „Böhsen Onkels“.

 

Was leider schon fast zur Normalität auf Kundgebungen und Demonstrationen der Szene gehört, ist das verharmlosen und relativieren des Nationalsozialismus. Es fallen Sätze wie:So hat es damals auch angefangen.“, „Das gab es alles schon mal.gefolgt von etlichen Vergleichen mit dem Schicksal der Jüdinnen und Juden während des Dritten Reiches.

Die Liste mit allen Personen und Vorfällen ist deutlich länger und die Entwicklung ist besorgniserregend. Es gab bereits die ersten Toten in Deutschland, durch die zunehmende Radikalisierung dieser Szene.
Immer häufiger werden Waffen bei Demonstrationsteilnehmer*innen festgestellt, wie kürzlich ein sogenannter „Schießkugelschreiber“ in Rostock.­­­ Unlängst wurden auch bei Augsburger Demonstrant*innen Messer und ein Teleskopschlagstock sichergestellt.
 

Die rechten Akteur*innen der Szene sind es, die fordern, man solle sich nicht spalten lassen. Doch ohne einem mitlaufenden und wohlwollendem Haufen, wären diese nur ein Häuflein Schmutz.

Deshalb möchten wir klarstellen: Wer mit Neonazis, Identitären, Reichsbürger*innen, Verschwörungsideolog*innen und rechten Esoteriker*innen demonstriert, macht sich mit ihnen gemein, unterstützt und befördert deren Positionen, sorgt für einen weiteren Rechtsruck, der sich aus der Mitte nährt und befeuert schlussendlich Hass und Hetze. Die eigentliche Spaltung der Gesellschaft hat also genau hier ihren Ursprung.


Kommt am Samstag (22.01.) um 18:00 Uhr an KÖ, zur Demo von “Augsburg Solidarisch”!

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