­Mit „Liebe & Herz“ in die Barbarei: Corona vereint Augsburgs Rechtsradikale, Reichsbürger und Querdenker

Augsburg, 30.04.2020

Wer letzten Samstag durch Augsburgs Innenstadt lief, wurde trotz Corona von einer größeren Kundgebung am Rathausplatz überrascht. Über 50 Personen versammelten sich um für die Rettung des Grundgesetzes zu demonstrieren. Was auf den ersten Blick vielleicht sinnvoll erschien, stellte sich dann als ein kruder Mischmasch aus durchaus berechtigter Kritik an den aktuell geltenden Maßnahmen einerseits und aus antisemitischen Verschwörungstheorien, Reichsbürgertum, Impfgegner*innen und Rechtsradikalen heraus.

Vorab: Über die Angemessenheit der Notstands-Maßnahmen sollte gestritten werden und um das überhaupt erst zu ermöglichen, braucht es wieder Räume der politischen Auseinandersetzung. Demonstrationen sind solche Räume, weshalb es wichtig ist auch in Zeiten der Pandemie am Demonstrationsrecht festzuhalten und wieder auf die Straße zu gehen.

Äußerungen auf der Demo

Statt um Grundrechte ging es hier leider vor allem um die Verbreitung gefährlicher Verschwörungsfantasien, die oft als Brücke zu rechtsradikalem und antidemokratischem Denken dienen. Hier einige Kostproben (geäußert als Redebeiträge, auf Plakaten und Flyern):

  1. Corona ist eigentlich völlig ungefährlich oder existiert überhaupt nicht – die Pandemie ist von denen da Oben ausgedacht.
  2. Corona wurde von Bill Gates finanziert und entwickelt, um die Impfpflicht einzuführen.
  3. Die Maßnahmen sind völlig unberechtigt („politischer Wahnsinn“) und dienen anderen Zwecken als behauptet, etwa dem Ausbau der Überwachung.
  4. Die Maskenpflicht sei nur eingeführt, um Angst zu schüren und Begegnungen beim Einkaufen zu entmenschlichen.
  5. Eine neue Wirtschaftskrise soll verschleiert werden.

Gemeinsam ist den Positionen, dass es eine im Geheimen agierende Gruppe von Mächtigen gibt, die sich gegen „das Volk“ verschworen habe und die Welt ins Unheil stürzen möchte. Wer das genau sei, blieb auf der Demo noch ungenannt. Diese Denke erinnert stark an antisemitische Welterklärungsversuche.

Ein Bild, das draußen, Gebäude, Straße, Personen enthält.

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Angebliche Gleichschaltung der Medien

Ein Bild, das Schild, Text, draußen, Front enthält.

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Scheinbar haben diese im geheimen agierenden Strippenzieher keine Kosten und Mühen gescheut und nicht nur Corona eingeführt, sondern sich auch noch um eine Steuerung und Gleichschaltung der Medien gekümmert. Worte wie „Meinungsdiktatur“ und „Zensur“ fielen wiederholt auf der Demo. Dass sogenannte Mainstream-Medien als Lügenpresse verschrien werden, kennt man schon von PEGIDA-Aufmärschen, Montagsdemos und der AfD. Von dort kennt man auch die sogenannten „Alternativmedien“, auf die sich die  Coronarebellen“ beziehen:

In den bundes- und bayernweiten Telegramgruppen werden u.a. Beiträge aus Reichsbürgerkreisen, der Verschwörungsschleuder KenFM oder der rechtsextremen Zeitung Junge Freiheit geteilt.

Querfront: „Wir sind ein Volk“

Die Strategie der Organisatoren ist es eine Querfront aus linken und extrem rechten Positionen zu bilden, die durch die  Schaffung eines gemeinsamen Feindbildes (wahlweise: die da Oben, Bill Gates, die Juden), bzw. durch verschwörungstheoretische Welterklärungen zusammen gehalten wird. Eine Abgrenzung nach Rechtsaußen ist nicht gewollt. Wichtig sei nur, dass man „als ein Volk zusammenhalte“.

Nach Außen versuchen die Organisatoren dennoch ein gemäßigtes Erscheinungsbild zu erzeugen und zielen auf eine „neutrale“ Berichterstattung ab, was ihnen in Augsburg zuletzt auch gelungen ist.

Weitere Aktivitäten

Letzte Woche wurden bereits antisemitische Flugblätter zu Corona verteilt. Auch haben die „Rebellen“ für die kommenden Samstage jeweils um 15:00 Uhr weitere Kundgebungen angemeldet (siehe unten).

Teile der „Coronarebellen“ aus der Reichsbürgerszene rufen zusätzlich zu unangemeldeten „Spaziergängen“ und zum „aktiven Gebrauch des Widerstandsrechts“ auf. Ein paar Größenwahnsinnige planen sogar die Besetzung des Gögginger Polizeipräsidiums.

Alerta!

Im Umfeld der Coronarebellen wird rechtsradikales Gedankengut bis hin zu Hitlerverehrung und Holocaustleugnung toleriert. Für die kommenden Samstage haben sich Teilnehmer aus der extremen Rechten und Reichsbürgerszene angekündigt. Diesmal hoffentlich nicht ohne antifaschistische Einmischung:

Samstag, 2. Mai 15:00 Uhr Königsplatz
Samstag, 2. Mai 20:00 – 21:00 Uhr Königsplatz
Samstag, 9. Mai 15:00 Uhr Rathausplatz
Samstag, 16. Mai 15:00 Uhr Rathausplatz

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